vendredi 4 mai 2007

L'initiative anti-minaret est inapplicable

Lire l'interview de Giusepp Nay, ancien président du Tribunal Fédéral accordé à l'Argauer Zeitung (en version originale allemande)
«Die Initiative ist nicht umsetzbar»

Islam Ein Verbot von Minaretten sollte laut Giusep Nay dem Volk nicht vorgelegt werden

Für den ehemaligen Präsidenten des Bundesgerichts verletzt die Minarett-Initiative das Völkerrecht. Er plädiert dafür, sie für ungültig zu erklären.
daniel friedli

SVP-Exponenten wollen den Bau von Minaretten in der Schweiz verbieten. Ist das überhaupt zulässig?

Giusep Nay: Das widerspricht nicht nur der Europäischen Menschenrechtskonvention, sondern vor allem auch der in der Bundesverfassung garantierten Religionsfreiheit. Die religiösen Ausnahmeartikel › das Jesuiten- und das Klosterverbot › strich das Schweizervolk 1972 in einer denkwürdigen Abstimmung aus der Verfassung. Es wäre ein grosser Rückschritt, nun wieder eine neue Ausnahme einzuführen.

Die Initianten sagen, die Religionsfreiheit werde nicht ange- tastet, da ein Minarett gar keine religiöse Bedeutung habe.

Nay: Ich kann diese Argumentation nicht nachvollziehen. Es ist nicht Sache des Staates, zu bestimmen, was Inhalt einer Religion ist und was nicht. Für Musliminnen und Muslime ist das Minarett der Ort, von dem aus die täglichen Gebete verbreitet werden. Die Religionsfreiheit garantiert ihnen, dieses Symbol für ihren Glauben verwenden zu dürfen.

Muss die Initiative demnach für ungültig erklärt werden?

Nay: Meiner Meinung nach sollte die Bundesversammlung eine solche Initiative dem Volk gar nicht zur Abstimmung vorlegen, weil sie undurchführbar ist. Das Bundesgericht lässt undurchführbare kantonale Initiativen nicht der Volksabstimmung unterbreiten. Deshalb sollte es auch die Bundesversammlung nicht tun, und die Initiative für ungültig erklären.

Das Parlament geht aber mit solchen Ungültigkeitserklärungen äusserst sparsam um.


Nay: Ja, und zu Recht. Gemäss Verfassungstext können Volks-initiativen nur für ungültig erklärt werden, wenn sie die Einheit der Form, die Einheit der Materie oder zwingendes Völkerrecht verletzen. Zum zwingenden Völkerrecht gehört die Religionsfreiheit nach allgemeiner Auffassung nicht. Zusätzlich muss aber eine Initiative auch umsetzbar sein, um dem Volk zur Abstimmung unterbreitet werden zu können. Dies hat auch der Bundesrat in seiner Botschaft zur neuen Bundesverfassung als selbstverständlich bezeichnet. Um das in der direkten Demokratie bedeutungsvolle Stimmrecht zu schützen, sind die Stimmbürger davor zu bewahren, zu unnützen, weil undurchführbaren Initiativen Stellung nehmen zu müssen.

Weshalb ist denn die Initiative nicht umsetzbar?

Nay: Ein generelles Verbot für den Bau von Minaretten lässt sich nicht umsetzen, weil die Schweiz beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof wegen Verletzung der Menschenrechte verurteilt würde. Ein auf ein solches Verbot gestütztes Urteil des Bundesgerichts müsste hierauf revidiert und der Bau eines Minaretts zugelassen werden. Ausser natürlich, dieser Bau widerspreche anderen gesetzlichen Vorschriften. Und diese Vorschriften genügen, um allenfalls wirklich störende Minarette zu verhindern.

Schon die Verwahrungsinitiative und das Asylgesetz sind mit dem Völkerrecht in Konflikt geraten. Geht die Politik mit den Grundrechten zu fahrlässig um?

Nay: Die starke Polarisierung in der Politik und der ständige Wahlkampf bergen eine grössere Gefahr als früher, dass die Grundrechte unserer Bundesverfassung unter die Räder geraten.

Sehen Sie eine Tendenz, dass Demokratie über den Rechtsstaat gestellt wird?

Nay: Die Demokratie und der Rechtsstaat müssen als eine Einheit betrachtet werden. Das Demokratiebewusstsein ist in der Schweiz aber weit grösser als das Bewusstsein, ein Rechtsstaat zu sein, obwohl Volk und Stände in der Bundesverfassung die Wahrung des Rechtsstaats ausdrücklich zur Pflicht machten.

Hätten Sie selber nicht Mühe, wenn bei Ihnen in Valbella ein Minarett errichtet würde?

Nay: Ich selber nicht, weil ich andere Religionen und Kulturen als Bereicherung empfinde und nicht als fremd. Ich hätte aber grosses Verständnis dafür, dass die Bevölkerung in einer Gegend, in der keine muslimische Gemeinschaft zu Hause ist, ein Minarett als störend betrachten würde. Darum geht es den Initianten aber nicht. Mit einem generellen Verbot für jeden Fall schütten sie das Kind mit dem Bade aus.



Giusep Nay war 17 Jahre lang Bundesrichter und von 2004 bis 2006 Präsident dieses Gerichts.

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