vendredi 16 avril 2010

Nigeria setzt Ausschaffung faktisch ausser Kraft

Neue Hiobsbotschaft für die Schweiz: Nach dem Tod eines Asylbewerbers nimmt Nigeria nur noch Landsleute zurück, die eine Freiwilligkeitserklärung unterschreiben. Kaum einer tut das.

Nachdem am 17. März auf dem Flughafen Kloten ein Ausschaffungshäftling starb, hat die Schweiz sämtliche Sonderflüge sofort gestoppt. Zuerst soll der Todesfall geklärt werden. Das reicht Nigeria jedoch nicht. Weil er den Schutz seiner Landsleute gefährdet sieht, hat der afrikanische Staat Sofortmassnahmen eingeleitet, die das Rücknahme-Abkommen mit der Schweiz faktisch aushebeln, wie Recherchen von Tagesanzeiger.ch/Newsnetz belegen. Das Abkommen wurde 2003 nach langem Seilziehen von der damaligen Bundesrätin Ruth Metzler ausgehandelt.

Neuerdings müssen nigerianische Asylbewerber mittels Unterschrift bestätigen, dass sie bereit sind, in ihr Heimatland zurückzukehren. Das hat Folgen: Denn nigerianische Asylbewerber kommen grösstenteils ohne gültige Reisepapiere in die Schweiz. Und nur wenn die nigerianische Landesvertretung ihren Ausreisepflichtigen Ersatzpapiere ausstellt, ist eine Rückführung mit dem Flugzeug möglich.

Asylbewerber verweigern Unterschrift

Die Neuregelung verunmöglicht faktisch die Ausschaffung von Nigerianern, weil sich die Asylbewerber meistens weigern, die «Freiwilligkeitserklärung» zu unterzeichnen. «Für diese Personen erhalten wir von der nigerianischen Botschaft keine Ersatzpapiere», erklärt Bruno Zanga, Leiter des Ausländeramts des Kantons St. Gallen. «Dies hat zur Folge, dass die von uns verfügte Ausschaffungshaft recht schnell unverhältnismässig wird und wir die Haft nicht aufrechterhalten können.» Mit anderen Worten: Die Behörden sind gezwungen, die abgewiesenen Asylbewerber auf freien Fuss zu setzen.

Letztes Jahr beantragten 1’800 nigerianische Staatsangehörige in der Schweiz Asyl. Laut dem Chef des Bundesamts für Migration, Alard Du Bois-Reymond, kommen 99,5 Prozent von ihnen ohne die geringste Chance, in der Schweiz bleiben zu können. Sie kommen nicht als Flüchtlinge hierher, sondern um illegale Geschäfte zu machen. Unter den gegebenen Umständen ist die Schweiz nicht mehr in der Lage, diese Leute in ihre Heimat zurückzuschaffen – unabhängig davon, ob sie am Stopp der Sonderflüge festhält, oder nicht. «Unsere Erfahrungen mit Ländern, die ebenfalls eine Freiwilligkeitserklärung verlangen, zeigen, dass die Rückkehrquote sehr rasch gegen Null strebt», erklärt dazu Bruno Zanga, Chef des Ausländeramts St. Gallen.

Nigeria will Neuverhandlungen

Auf Anfrage teilt die nigerianische Botschaft in Bern mit, dass man nun mit der Schweiz das Rücknahme-Abkommen neu verhandeln wolle: «Bis dahin müssen die Bürger freiwillig zurückkehren.» Weitere Auskünfte gebe man gegenüber den Medien keine, so die Auskunft eines gewissen Herrn Nze, wie sich der Botschaftsmitarbeiter am Telefon bezeichnet. Einen Vornamen will er nicht nennen. Der Botschafter Martin Uhomoibhi sei nicht erreichbar.

Das Bundesamt für Migration (BfM) bestätigt die Neuregelung, spielt das Problem aber herunter. «Im Moment finden keine Sonderflüge zur Rückführung statt, deshalb ist diese Situation derzeit ohne grosse Folgen», erklärt Sprecher Urs von Arb. Ob der sofortige Entscheid des Bundes zur Aussetzung der Ausschaffungsflüge richtig war, will von Arb nicht kommentieren. Dass der Entscheid aufgehoben werde, sei zwar möglich, «steht derzeit aber nicht zur Diskussion.»

Unsichere Rechtslage

Durch die Vertragsänderung Nigerias ist die Rechtslage jedoch so unsicher, dass die zuständigen Haftrichter in den Kantonen auch dann nigerianische Häftlinge wieder freilassen müssen, wenn die Sonderflüge erneut aufgenommen werden. Auch der Bund drängt deshalb auf Neuverhandlungen mit dem afrikanischen Staat. «Wir brauchen ein neues Rückübernahme-Abkommen mit Nigeria», erklärte der Chef des Bundesamts für Migration, Alard Du Bois-Reymond, vor Kurzem gegenüber der «NZZ am Sonntag». Man sei auf die Mithilfe der nigerianischen Behörden angewiesen und wolle die gute Zusammenarbeit mit ihnen vertiefen.

Von Simon Eppenberger und David Vonplon(Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)

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